Die Geschichte des Magyar Vizsla

von Sep 11, 2020

Magyar Vizsla, Ungarischer Vorstehhund, Ungarisch Kurzhaar – unsere zimtfarbenen Gefährten tragen viele Namen und haben eine lange Geschichte, was mich selbst überrascht hat, als ich mich einmal auf Spurensuche begeben habe. Mein heutiger Blogbeitrag fasst für Euch die Ergebnisse meines historischen Ausflugs zusammen. Unter anderem erfahrt Ihr, woher die Rasse Magyar Vizsla stammt, wann sie entstanden ist und wie sich das Aussehen mit der Zeit verändert hat. Warum das Ganze? Mir haben die Antworten auf diese Fragen geholfen, einige der „Eigenheiten“ meines Vischels noch ein bisschen besser zu verstehen. Vieles ist nämlich einfach angeboren…

Die Vorfahren: Jagdhunde der Magyaren

Forscher haben herausgefunden, dass sich die Anfänge des Magyar Vizslas bis ins späte 9. Jahrhundert n. Chr. zurückverfolgen lassen. Die Magyaren, ein ungarisches Reitervolk, siedelte sich zu etwa dieser Zeit in der Pannonischen Tiefebene an. Dieses Gebiet umspannt mit einer Fläche von etwa 120.000 km² weite Teile Ungarns, schließt aber gleichzeitig acht weitere Staaten ein (darunter den Ostrand Österreichs, die südlichen Tiefländer der Slowakei sowie Rumänien, Serbien und Kroatien).

Das Land dieses riesigen Gebiets ist auch als Puszta, also wörtlich „Ödnis“, bekannt. Es zeichnet sich durch weite Flächen mit Steppenlandschaften und Sumpfgebieten aus und wurde für viele Jahrhunderte hauptsächlich für die Viehzucht genutzt. Natürlich eigneten sich die kilometerlangen Freiflächen nicht nur für die Haltung von Nutztieren, sondern auch für die Jagd: Ein anonymer Schreiber des Königs Adelbert III. von Ungarn (1235-1270) hielt in ausführlichen Berichten über die Magyaren fest, dass sie – wenn sie sich nicht gerade der Viehzucht widmeten – leidenschaftlich gerne jagten. Und dazu selbstverständlich auch Hunde einsetzen. Und hier kommt der Magyar Vizsla ins Spiel:

Denn neben Lager-, Wach-, Hüte- und Zughunden, die die Magyaren hielten, waren es vor allem die Vorfahren des heutigen Magyar Vizslas, die bei der Jagd mit dem Falken als Stöber- und Vogelhunde eingesetzt wurden.

Der Körperbau des Magyar Vizsla
Der Magyar Vizsla weist bis heute einen rassetypischen Körperbau auf, der sich auf seine Vorfahren zurückführen lässt.

Kreuzung mit den türkischen Jagdhunden der Osmanen

Für größeres Wild wurden – so nimmt man an – andere Jagdhundrassen genutzt. Und es ist davon auszugehen, dass der Ur-Vizsla mit eben diesen gekreuzt wurde. Vermutlich auch, um das typisch rot-gelbe Haarkleid zu optimieren, welches sich zur Tarnung in den trockenen Steppen Ungarns bestens eignete.

Bemerkenswert ist auch, dass der Vizsla bis heute der einzige Jagdhund mit einem fleischfarbenen Nasenschwamm ist, während alle anderen Jagdhundrassen einen dunkleren Nasenschwamm aufweisen.

Der Magyar Vizsla mit hellem Nasenschwamm
Der Magyar Vizsla mit dem charakteristischen, hellen Nasenschwamm.

Vermutlich wurden anfängliche Einkreuzungen mit anderen Rassen über die Jahrhunderte bewusst zurückgezüchtet. Ob dies aus ästhetischen oder anderen Gründen geschah, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

Als bewiesen gilt jedoch, dass der Vizsla seine bis heute typische Fellfarbe durch die sogenannten türkischen gelben Jagdhunde erhielt. Eine Rasse, die heute als ausgestorben gilt. Sie gelangten mit der Invasion der Osmanen im Jahr 1526 in die Pannonische Tiefebene Ungarns.

Sloughis – die zweiten Ur-Ahnen des Vizslas

Gleichzeitig führten die osmanischen Heerscharen so genannte Sloughis mit sich – eine Windhundrasse, die sich durch einen langbeinigen, muskulösen und gleichzeitig filigranen Körperbau auszeichnet.

Das Wesen der Sloughis wird als sanft, extrem menschenbezogen und intelligent bezeichnet. Eigenschaften, die dem Magyar Vizsla bis heute zu eigen sind und die er nicht zuletzt durch die Einkreuzung mit den Sloughis erhalten haben dürfte.

Der Magyar Vizsla ähnelt der Windhundrasse Sloghi
Bis heute ist die genetische Verbindung zu den Sloughis beim Magyar Vizsla zu erkennen

Die Verpaarung mit den osmanischen Windhunden wurde aber sicher nicht nur wegen der charakterlichen Merkmale vorgenommen, die den Gehorsam und die Leichtführigkeit bei der Jagd der Sloughis Rasse war, von denen die Vizslas im Jagdeinsatz profitieren sollten. 

Wußtet Ihr, dass der Magyar Vizsla noch heute zu den schnellsten Hunderassen der Welt gehört? Mich wundert es nicht, wenn ich manchmal den rasanten Antritt bei meinem Vischel beobachte, wenn er einem Wurfspielzeug hinterherjagdt.

Vizslas im Jagdeinsatz ungarischer Aristokraten

Ab circa 1860 ging der Wildbesatz der ungarischen Puszta wegen zunehmender Besiedlung merklich zurück. Die ungarischen Aristokraten reagierten mit einem gezielten Einsetzen von Damwild und Fasanen, um den damals beliebten „Jagdsport“ weiter betreiben zu können. Im Einsatz auch hier: Der Magyar Vizsla.

Zur etwa selben Zeit siedelten sich in Ungarn unter anderem englische und mährische Jagdherren ein, die ihre eigenen Jagdhundrassen mitbrachten und mit dem Magyar Vizsla kreuzten, um die Vorsteheigenschaften zu verbessern.

Zur Erinnerung: Durch das Vorstehen signalisieren Hunde ihrem Jäger, dass sie Wild gefunden haben. Dabei verharren sie lautlos im Stand und heben meist angewinkelt einen der Vorderläufe. Der Blick ist starr auf das Wild gerichtet. Diese Position habt ihr bestimmt auch schon an Eurem Vizsla beobachten können – auch wenn er nicht jagdlich geführt wird. Die Gene setzen sich halt immer durch 😉

Magyar Vizsla steht vor als Vorstehhund

Das erste Zuchtbuch der Vizslas

Im Jahre 1880 kreuzte der Ungar Zoltan Hamvay den damaligen Vizsla mit Pointern und verkaufte die Welpen. Ebenso züchtete sein Landsmann Julius Barczy de Barczyhaza mit Vizslas und Irischen Settern. Die beiden Männer gelten nicht nur als die ersten offiziellen Vizsla-Züchter. Sie führten außerdem das erste, nahezu vollständige Zuchtbuch der Rasse. Ihre Hunde dürfen daher als die offiziellen Urahnen des Vizslas bezeichnet werden, wie wir ihn heute kennen.

Die typischen Eigenschaften des Vizslas: Alles eine Frage der Gene

Ihr seht: Der Genpool ist zwar unglaublich breit gefächert, der Einfluss verschiedener Jagdhundrassen aber dominant. Das erklärt, wieso unsere Vischels am liebsten mit der Nase auf dem Boden voran laufen. Ja voran, und nicht etwa „bei Fuß“ an der Leine. Schließlich wurden sie dafür gezüchtet, vor ihren Jägern zu laufen und Wildfunde durch das charakteristische Vorstehen anzuzeigen.

Es überrascht daher nicht, dass viele von uns jahrelang intensiv am Thema Leinenführigkeit arbeiten müssen.

Und auch die für den Vizsla typische Ruhelosigkeit und leichte Erregbarkeit lassen sich durch die vielfältigen Jaghund-Einkreuzungen erklären: Jedes noch so kleine Geräusch im Unterholz könnte immerhin eine potenzielle Beute sein. Die Vizsla-Sinne sind also bis aufs Äußerste geschärft und sensibilisiert.

Stirbt der Magyar Vizsla aus?

Während der Vizsla also für viele Jahrhunderte als treuer Begleiter bei der Jagd fungierte, nahm das Interesse an jagdlichen Aktivitäten in der Bevölkerung immer weiter ab. Insbesondere das zunehmende Aussterben der Aristokraten sorgte dafür, dass gleichzeitig weniger Vizslas gezüchtet wurden.

Als im November 1916 der österreichische Kaiser Karl I. von Habsburg zum letzten ungarischen König gekrönt wurde, erschien im Jagdmagazin „Nimrod“ ein offizieller Hilferuf zur Erhaltung des Vizslas: Der offizielle Vizsla-Registrator – also eine Art Archivar – namens Tubo Thuroczy forderte dazu auf, den reinblütigen Vizsla vor dem Aussterben zu retten. Er erinnerte an die lange Tradition der Rasse und bemängelte, dass der Magyar Vizsla wegen einer „Vorliebe für fremdartige Dinge“ mit zu vielen fremden Blutlinien gekreuzt worden sei.

Dieser emotionale Artikel bewirkte bei vielen ungarischen Jägern ein Umdenken – auch vor dem Hintergrund, dass man mit den jagdlichen Eigenschaften der vornehmlich deutschen und englischen Rassen, die man damals zur Jagd einsetzte, nicht vollständig zufrieden war.

Im Gegenteil: Viele Leser des Magazins erinnerten sich durch den Artikel wieder an die Lobreden ihrer Väter, was den Magyar Vizsla betraf; seine Leichtführigkeit und den sicheren Gehorsam, gerade bei der damals so beliebten Beizjagd mit dem Falken auf Wachteln und Hühner.

Rettungsaktion für den Magyar Vizsla zur Zeit des Ersten Weltkriegs

Schnell fanden sich daher motivierte Jäger zusammen, die eine Vereinigung zum Erhalt des Magyar Vizsla gründeten. Die erste Maßnahme: Man führte ein vorläufiges Stammbuch ein, in dem anhand alter Zeichnungen und Schilderungen die ur-typischen Merkmale der Rasse festgehalten wurden, bevor andere Jagdhunde eingekreuzt wurden. Mithilfe dieses Stammbuchs suchte – man kann fast sagen fahndete – die Organisation landesweit nach Hunden, die dem Ur-Vizsla am ähnlichsten sahen.

Macht man sich klar, dass sich Östrreich-Ungarn zu dieser Zeit im Ersten Weltkrieg an der Seite des deutschen Kaisers befand, wird deutlich, wie groß der Wunsch der organisierten Jägerschaft war, „ihre“ Jagdhundrasse vor dem Aussterben zu bewahren.

Ein erster Rückschlag: Der Vertrag von Trianon

Der 29. Mai 1920 darf als das Gründungsdatum der modernen Magyar-Vizsla-Zucht gelten. An diesem Tag wurde die Vereinigung der ungarischen Magyar-Vizsla-Züchter von Dr. Kalman Polgar, Graf Laszlo Esterhazy, Elmar Petocz und ihren Freunden ins Leben gerufen. Und man freute sich, dass die Bemühungen zur Rettung der Rasse nun endlich professionelle Züge bekamen.

Doch nur knappe drei Wochen später erhielt die junge Vereinigung einen spürbaren Dämpfer in Form des Friedensvertrags von Trianon. Dieser beendete am 20. Juni 1920 formal die Wirren des Ersten Weltkriegs und zwang Ungarn, zwei Drittel des Territoriums des historischen Königreichs an verschiedene Nachbar- und Nachfolgestaaten abzutreten, was eine Dezimierung der ungarischen Bevölkerung um etwa drei Millionen Bürger zur Folge hatte.

Der Magyar Vizsla wird offiziell anerkannt

Die Vereinigung der ungarischen Magyar-Vizsla-Züchter machte unbeirrt weiter und erstellte noch im selben Jahr einen ersten verbindlichen Zuchtstandard, der 1935 ergänzt wurde. Bereits ein Jahr später erkannte der kynologischen Weltverband (FCI) den Ungarischen Vorstehhund (Kurzhaar) offiziell als Rasse an. Bis zur Machtübernahme der Deutschen im Jahre 1944 waren in Ungarn rund 5.000 kurzhaarige Vizslas registriert.

Heute dürfte die Zahl um ein Vielfaches höher sein. Und auch weltweit erfreut sich der Magyar Vizsla wachsender Beliebtheit – und das nicht nur als Jagdhund, wo er durch die angezüchtete Schnelligkeit, seine guten Reflexe und das feste Vorstehen überzeugt.

Eigenschaften wie seine Sensibilität, Leichtführigkeit und starke Menschenbezogenheit machen ihn aber auch zum perfekten Familienhund, der allerdings entsprechend seiner Veranlagung gefördert und gefordert werden muss.

Credit Headerfoto: https://unsplash.com/@2photopots


Ich denke, Ihr als Vizsla-Besitzer werdet mir zustimmen, dass ein sportliches Programm allein nicht ausreicht, um einen ausgeglichenen Begleiter zu erziehen. Auch die Intelligenz des Magyar Vizslas muss gefördert werden. Nasenarbeit, das Einüben von Tricks oder auch ein Sportprogramm wie Agility, bei dem zusätzlich der Kopf eingesetzt werden muss, sind ideal geeignet, um unsere Vischels rassetypisch auszulasten.

Mich würde interessieren: Erkennt Ihr Euren Hund in den genannten Eigenschaften der Ur-Vizslas wieder? Gibt es andere Merkmale, die für Euch auf die DNA zurückzuführen sind? Lasst mir gerne einen Kommentar da! 😊

Bis dahin: Stay Vizsladdicted!

4 Kommentare

  1. monika gubena-martin

    Wir sind den Vizslas verfallen seit zanzig Jahren, ich kann das alles voll und ganz unterschreiben.
    Gerade haben wir einen Wurf von 7 Welpen und auch da zeichnet sich schon so präknant ihr Wesen es ist so ein tolles Erlebnis, aber klar ist natürlich er will gefordert werden und er will ein Familienmitglied sein, er braucht eine ruhige, liebevolle und. konsequente Erziehung.

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    • Christina

      Hallo Monika,
      danke für Dein Feedback. Schön, dass Ihr dieselben Erfahrungen macht – und das als Züchter mit so viel Erfahrung.
      Ich wünsche Euch ganz viel Freude mit den Welpen und auch, dass sie alle eine tolle Familie finden.
      Viele liebe Grüße,
      Christina & Bayard

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  2. Klaus Pöttinger

    Auch wir sind den Vizslas verfallen. Einmal Vizsla – immer Vizsla.
    2003 bekamen wir unsere 1. Vizsla Hündin. Als sie 6 Jahre alt war bekamen wir einen Vizsla Rüden dazu. Beide jagdlich, nur mit Lob und Leckerli ausgebildet und durch alle Prüfungen geführt.
    Exzellente Jagdhunde, extrem familienfreundlich und einsetzbar auf der Jagd, vor und nach dem Schuss immer einmal zuverlässig.
    Die Familienfreundlichkeit 1a.
    Nun sind beide in den ewigen Jagdgründen immer in unserer Erinnerung.
    Jetzt haben wir wieder eine Vizsla Hündin seit 7 Monaten. Und wieder bestätigen sich die sehr guten Erfahrungen, Werden eher noch getoppt.
    Allen Inhalten des Autors können wir nur anerkennend zustimmen.

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    • Christina

      Hallo Klaus,
      vielen Dank für die liebe Nachricht und das tolle Lob! Ich freue mich sehr, dass auch Ihr dem Vizsla – wie ich – verfallen seid und so wunderbare Erinnerungen mit Euren Hunden sammeln konntet. Und noch mehr freue ich mich natürlich, dass Euch meine Beiträge gefallen und Ihr sie mit Euren Erfahrungen bestätigen könnt.
      Viel Spaß mit Eurem Jundhund.
      Sonnige Grüße,
      Christina

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